Biotechnologie ist rot, weiß und grün
Die Biotechnologie lässt sich in drei Hauptbereiche einteilen: Der größte Bereich dabei ist die „rote Biotechnologie„. Sie betrifft biotechnologische Anwendungen im Gesundheits- und Pharmasektor. Im zweiten Bereich der „weißen Biotechnologie“ geht es um die Verwendung von Mikroorganismen in chemischen Herstellungssystemen. Der dritte Bereich, die „grüne Biotechnologie“, umfasst biotechnologische Anwendungen in der Landwirtschaft.
Biotechnologische Innovationen sind mittlerweile unverzichtbar, um die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SGDs) und die Ziele des europäischen Green Deals zu erreichen. Neue medizinische Behandlungen, grüne Energiequellen und nachhaltige Landwirtschaft sind nur drei Beispiele dafür, wie neue Entwicklungen in der Biotechnologie zu diesen Zielen beitragen.
Spezifische Kriterien für die Patentierbarkeit auf dem Gebiet der Biotechnologie
Wie in anderen Technologiebereichen können biotechnologische Erfindungen patentiert werden, wenn sie neu, erfinderisch und gewerblich anwendbar sind. Darüber hinaus müssen sie die formalen Anforderungen der Einheitlichkeit, Klarheit und hinreichenden Offenbarung erfüllen. Zusätzlich zu diesen allgemein gültigen Kriterien haben sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation auf eine Reihe von Sonderregeln für Erfindungen auf dem Gebiet der Biotechnologie geeinigt. Diese Regeln stehen im Einklang mit der EU-Biopatentrichtlinie und regeln beispielsweise die Patentierbarkeit von Pflanzen sowie die Patentierbarkeit von gentechnisch veränderten Tieren und stellen ethische und moralische Kriterien für die Patentierung im biotechnologischen Bereich bereit.
In diesem Artikel haben wir die aktuellen Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt und die Rechtsprechung der Beschwerdekammern im Hinblick auf die Patentierung biotechnologischer Erfindungen zusammengefasst. Unter Verwendung der wichtigsten Schlagwörter (1) aus dem Bereich der Biotechnologie haben wir die wichtigsten Textpassagen, die die Patentierung biotechnologischer Erfindungen betreffen, in den Tabellen 1 und 2 gelistet und verlinkt.
Richtlinien für die Prüfung biotechnologischer Erfindungen
Die aktuelle Ausgabe der Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt (März 2023) beschäftigt sich in mehreren Kapiteln und Unterkapiteln mit den Besonderheiten bei der Patentierung biotechnologischer Erfindungen. Diese sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Spezifische Anweisungen für EPA-Patentprüfer in Bezug auf Anmeldungen, die biologisches Material umfassen, sind in A-IV, 4., E-IX, 2.4.4. und F-III, 6. zu finden. Die Richtlinien für die Prüfung widmen zudem Nukleotid- und Aminosäuresequenzinformationen mehrere Kapitel (A-IV, 5., E-IX, 2.4.2., F-II, 6., F-IV, 4.24., G-III, 4.), da biotechnologische Erfindungen solche häufig umfassen. In A-IX, 11. sind außerdem formale Anforderungen an chemische Formeln zu finden.
Fragen zu patentierbaren Gegenständen biotechnologischer Erfindungen finden sich in B-VIII, 2.1., G-II, 4./5., G-VI, 7./9., G-VII, 13.. Ausreichende Offenbarung und Einheitlichkeit der Erfindung von biotechnologischen Erfindungen werden speziell in F-III, 6./9. und F-V, 3. berücksichtigt. F-IV 4.5.2 und F-IV 4.12. behandeln Regeln für die Abfassung von Ansprüchen mit Schwerpunkt auf biotechnologischen Erfindungen.
Tabelle 1 Richtlinien für die Prüfung biotechnologischer Erfindungen. Kapitel und Unterkapitel, die den Bereich der Biotechnologie betreffen und die mit Hilfe von Schlagwörtern (1) aus der Biotechnologie gefunden wurden, sind gelistet und verlinkt.
Rechtsprechung der Beschwerdekammern zu biotechnologischen Erfindungen
Die aktuelle, zehnte Auflage der Rechtsprechung der Beschwerdekammern widmet den Erfindungen auf dem Gebiet der Biotechnologie eigene Kapitel, Unterkapitel und Abschnitte. Diese sind in Tabelle 2 zusammengefasst und verlinkt.
In I-B der Rechtsprechung werden Ausnahmen von der Patentierbarkeit aufgeführt. In Kapitel 2 liegt der Schwerpunkt auf Verstößen gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten, die sich vor allem im Zusammenhang mit biotechnologischen Erfindungen ergeben können (I-B 2.). Ein Beispiel dafür ist die Rechtsprechung zu aus dem menschlichen Körper isolierten Elementen wie Gensequenzen. Kapitel 3 beschreibt die Rechtsprechung zur Patentierbarkeit von Pflanzen/Pflanzensorten (I-B 3.1.), Tieren/Tiersorten (I-B 3.2.), wesentlichen biologischen Verfahren zum Herstellen von Tieren und Pflanzen (I-B 3.3.) und mikrobiologischen Verfahren und deren Erzeugnissen (I-B 3.4.). In I-B 4. werden medizinische Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers und diagnostische Verfahren, die am menschlichen oder tierischen Körper angewandt werden, die nicht erteilt werden dürfen, behandelt.
I-C 3. der Rechtsprechung klärt die Verfügbarkeit von biologischem Material für die Öffentlichkeit, und I-C 3.6.-8. befasst sich speziell mit Fragen der Neuheit chemischer Erfindungen beziehungsweise der ersten/zweiten und weiteren medizinischen Verwendung.
In I-D 7-9. wird auf die Rechtsprechung zur erfinderischen Tätigkeit bei biotechnologischen Erfindungen eingegangen.
II-A 3.2. behandelt Rechtsprechung zur Klarheit von Ansprüchen, z.B. bei diagnostischen und chirurgischen Verfahren, während in II-B 5.3. auf die Einheitlichkeit von Ansprüchen eingeht, insbesondere im Hinblick auf Gruppen von chemischen Verbindungen.
In II-C über die Rechtsprechung zur ausreichenden Offenbarung befasst sich II-C 6.6.10 speziell mit der Reproduzierbarkeit chemischer Verbindungen. II-C 7. behandelt die ausreichende Offenbarung im biologischen Bereich.
Die Rechtsprechung der Kammern zur Priorität von Erfindungen, die Nukleotid- und Aminosäuresequenzen umfassen, findet sich in II-D 3.1.9.
II-E 1. konzentriert sich auf die Rechtsprechung zu Änderungen mit hinzugefügtem Gegenstand, wobei zahlreiche spezifische biotechnologische Fälle in II-E 1.6.2 und II-E 1.6.3 aufgeführt sind. II-E 2. beschreibt die Rechtsprechung zu Änderungen mit Ausweitung des gewährten Schutzes. Dabei wird in II-E 2.4.13 die Rechtsprechung zur Eingrenzung einer generischen Liste chemischer Verbindungen dargelegt.
Tabelle 2 Rechtsprechung bezüglich Patenten im Bereich der Biotechnologie. Kapitel und Unterkapitel, die den Bereich der Biotechnologie betreffen und die mit Hilfe von Schlagwörtern(1) aus der Biotechnologie gefunden wurden, sind gelistet und verlinkt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei der Anmeldung eines biotechnologischen Patents zahlreiche Kriterien berücksichtigt werden müssen, die speziell für diesen Bereich gelten. Wertvolle Quellen für diese Kriterien sind die Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt und die Rechtsprechung der Beschwerdekammern. In diesem Artikel haben wir die wichtigsten Kriterien für Patente in der Biotechnologie basierend auf diesen beiden Quellen zusammengefasst.
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(1) Schlagwörter aus dem biotechnologischen Bereich: biologisch, biotechnologisch, Sequenzen, medizinisch, chirurgisch, diagnostisch, tierisch, pflanzlich, pharmazeutisch, chemisch